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Betreuungsrecht: Keine persönliche Anhörung ohne Anwesenheit des Verfahrenspflegers

Im Jahr 2023 wurde dem Betreuungsrecht der § 319 Abs. 2 Satz 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) hinzugefügt. Dieser schreibt vor, dass ein hinzugezogener Verfahrenspfleger generell an der persönlichen Anhörung eines Betroffenen teilnehmen muss - es sei denn, seine Entbehrlichkeit ist gut begründet. Unter diesen Prämissen musste das Landgericht Lübeck (LG) einen vom Amtsgericht Oldenburg (AG) gefassten Beschluss prüfen; dabei ging es immerhin um das hohe Grundrecht auf Freiheit der betreffenden Person.

Am 28.07.2023 wurde beantragt, einen Betroffenen vorläufig freiheitsentziehend unterzubringen. Eine aktuelle Stellungnahme der Amtsärztin wurde dem Antrag beigefügt. Als der Betroffene in Anwesenheit des diensthabenden Arztes am Abend des 28.07.2023 dazu persönlich angehört wurde, nahm die über diesen Termin informierte Verfahrenspflegerin nicht persönlich daran teil. Nachdem der diensthabende Arzt ein ärztliches Zeugnis abgegeben hatte, ordnete das AG schließlich die vorläufige Unterbringung des Betroffenen längstens bis zum 04.08.2023 an. Dieser legte unmittelbar im Anschluss an die mündliche Bekanntgabe des Beschlusses Beschwerde zum richterlichen Protokoll ein - erfolgreich.

Denn in Augen des LG war der Beschluss des AG rechtswidrig und hat den Betroffenen in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt. Dem Beschluss lag schlichtweg ein Verfahrensfehler zugrunde. Denn die persönliche Anhörung des Betroffenen ist ohne Anwesenheit eines Verfahrenspflegers erfolgt, was dem Inhalt des § 319 Abs. 2 Satz 2 FamFG widerspricht. Diese im Zuge der Betreuungsrechtsreform zum 01.01.2023 in Kraft getretene Norm ist so zu verstehen, dass der Verfahrenspfleger in der Regel an der Anhörung teilnehmen muss. Er hat nicht die Wahl, ob er teilnehmen möchte oder nicht. Nimmt ein Verfahrenspfleger dennoch nicht teil, dann muss dessen Entbehrlichkeit begründet werden. Und ebendies war hier nicht geschehen.

Hinweis: Eine freiheitsentziehende Unterbringung ist eine extrem einschränkende Maßnahme. Genau deshalb müssen hierbei alle Schutzfaktoren für die Betroffenen ausgeschöpft werden. Dazu gehört eben auch die Teilnahme des Verfahrenspflegers.


Quelle: LG Lübeck, Beschl. v. 19.12.2024 - 7 T 324/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

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