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Martin Klein
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Ohne Mittelstreifen und Bankett: Wer auf schmaler und kurviger Straße eine Kolonne überholt, haftet im Ernstfall

Zwar erfreuen sich komfortable Pkws nach wie vor großer Beliebtheit. Dem Fakt, dass mit steigendem Komfort und größerer Sicherheit aber auch immer größere Dimensionen einhergehen, wird nicht immer ausreichend Rechnung getragen. Das Landgericht Ellwangen (LG) musste entscheiden, ob ein Pkw-Fahrer erwarten darf, dass ihm und seinem zweieinhalb Meter breiten Fahrzeug beim Überholen genug Platz eingeräumt wird.

Im Juli 2022 kam es auf einer Kreisstraße zu einem Verkehrsunfall, als ein Teslafahrer beim Versuch, drei Fahrzeuge einer Kolonne auf einmal zu überholen, auf 95 km/h beschleunigte und dann mit einem der Kolonnenfahrzeuge kollidierte. An der Unfallstelle war die Straße etwa fünf Meter breit, sie verfügte weder über eine Mittellinie noch über ein Bankett, verlief in einer Rechtskurve bergab und anschließend in einer Linkskurve wieder bergauf. Der Teslafahrer klagte gegen den Fahrer und den Halter des anderen Fahrzeugs sowie dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz. Er behauptete, dass sich der andere nicht an das Rechtsfahrgebot gehalten habe.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hin bestätigte das LG die Entscheidung der vorinstanzlichen Kollegen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz zu, weil er für die Unfallfolgen allein haftet. Zwar dürfe eine Kolonne grundsätzlich überholt werden - jedoch hätte dem Kläger unter Berücksichtigung des Umstands, dass sein Fahrzeug etwa zweieinhalb Meter breit war, einleuchten müssen, dass ein Überholen trotz seiner extremen Beschleunigungsfähigkeit allenfalls möglich sei, wenn alle überholten Fahrzeuge am äußersten rechten Fahrbahnrand fahren und mit der nötigen Aufmerksamkeit ihre Fahrlinie exakt einhalten würden. Darauf hat der Kläger aufgrund des ersichtlich kurvigen Straßenverlaufs nicht vertrauen dürfen. Mit einem gefahrlosen Überholen habe er nicht rechnen dürfen. Nach Ansicht des LG war dem Beklagten kein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot anzulasten. Dieser habe angesichts der Breite der Kreisstraße und aufgrund des fehlenden Banketts und des Gegenverkehrs einen gewissen Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand einhalten dürfen. Im Übrigen besteht keine Verpflichtung, am äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren, um riskante Überholmanöver durch Kolonnenspringer zu ermöglichen.

Hinweis: Das Kolonnenspringen mit hoher Geschwindigkeit und bei enger Fahrbahnbreite stellt ein Überholen bei unklarer Verkehrslage gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 Straßenverkehrs-Ordnung dar. Es besteht keine Pflicht, am äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren, um das riskante Überholen einer Kolonne zu ermöglichen.


Quelle: LG Ellwangen, Urt. v. 20.03.2024 - 1 S 70/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2024)

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