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Martin Klein
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Vorsatz oder Fahrlässigkeit? Tödlicher Unfall nach Schikane und Drängeln auf Autobahn

Seit dem sogenannten Berliner Kudammraserurteil müssen sich Gerichte wie das Landgericht Osnabrück (LG) immer wieder Ausgangs-, Geschehens- und Motivlage ansehen, bevor sie entscheiden können: Handelte der Angeklagte mit Vorsatz unter Nachweis mindestens eines Mordmerkmals oder war es fahrlässige Tötung? Denn leider gab es auch in diesem Fall das Ende eines Menschenlebens zu beklagen.

Der Angeklagte hatte auf einer Autobahn einen anderen Autofahrer mehrfach bedrängt und durch Auffahren und Ausbremsen schikaniert. Als sich beide Fahrzeuge ungefähr auf gleicher Höhe befanden, lenkte der Angeklagte - nachdem er sich auf der linken Fahrspur hatte zurückfallen lassen - sein Fahrzeug ruckartig nach rechts in Richtung des auf der rechten Fahrspur fahrenden Fahrzeugs. Hierdurch kollidierte er mit dem anderen Autofahrer, der dann über die rechte Leitplanke flog, sich überschlug und in einer Entfernung von 100 Metern liegen blieb. Der Fahrer wurde hierbei schwer verletzt; der Beifahrer verstarb noch am Unfallort.

Das LG verurteilte den Angeklagten nun wegen fahrlässiger Tötung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. Er habe den anderen Verkehrsteilnehmer bedrängt, mit seiner Fahrweise schikaniert und insofern auch mit Gefährdungsvorsatz gehandelt. Der Vorwurf des Mords sei dem Angeklagten indes nicht nachzuweisen. Eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände führe nicht zur Annahme von Schädigungs-, Körperverletzungs- und Tötungsvorsatz. Hierbei war neben weiteren Umständen etwa zu berücksichtigen, dass nicht angenommen werden konnte, der Angeklagte habe auch die Verletzung seiner Person sowie die Beschädigung des von ihm geführten (aber nicht ihm gehörenden) Fahrzeugs billigend in Kauf genommen. Er habe zur Arbeit fahren wollen. Das Lenken nach rechts in Richtung des daraufhin Verunfallten sei letztlich eine weitere Schikane gewesen. Zudem sei der Winkel der Fahrzeuge zueinander sehr spitz gewesen, was auch gegen ein vorsätzliches "Von-der-Straße-Rammen" spreche. Da der Angeklagte aber keine rechtzeitigen Maßnahmen zur Feststellung seiner Beteiligung an dem Unfallgeschehen ergriffen hatte, wurde er zudem wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt.

Hinweis: Im Zentrum der Entscheidung stand die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Weil das Gericht von einer fahrlässigen Tötung ausging, galt der Strafrahmen des § 222 Strafgesetzbuch (StGB), nämlich Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Bei Vorsatz hätte eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren (§ 212 Abs. 1 StGB) oder eventuell gar lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mords (§ 211 StGB) gedroht. Ein Tötungsvorsatz setzt voraus, dass man den Eintritt des Todes für möglich hält (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Wollenselement). An dieser Grenze liegt die sogenannte bewusste Fahrlässigkeit, bei der man den Eintritt des Erfolgs (etwa des Tods) zwar für möglich hält, dabei aber darauf vertraut, dass er nicht eintreten werde.
 
 
 


Quelle: LG Osnabrück, Urt. v. 13.06.2024 - 6 Ks 4/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2024)

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