[Inhalt]
[Vorheriger Text][Nächster Text]
Recht zur Lüge: Kündigung wegen falscher Antwort auf Frage des Arbeitgebers nach Schwerbehinderung
Jurastudenten lernen sehr früh, dass es ein zentrales arbeitsrechtliches Problem darstellt, wenn der Stellenbewerber auf eine Frage seines potentiellen Arbeitgebers nicht die Wahrheit sagt. Es kommt dann entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber die betreffende Frage überhaupt stellen durfte. Falls nicht, hat der Arbeitnehmer ggf. das Recht zur Lüge, ohne spätere Konsequenzen fürchten zu müssen.
Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage nach einer vorhandenen Schwerbehinderung kann den Arbeitgeber allerdings grundsätzlich dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt jedoch voraus, dass der Abschluss des Arbeitsvertrags auf eben jener Täuschung basiert. Wirkt sich die Täuschung auf das Arbeitsverhältnis aus, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Nach dessen Auffassung war in diesem Fall die Anfechtung der Kündigung durch die Arbeitnehmerin rechtmäßig. Der Arbeitgeber hatte erklärt, dass er die Arbeitnehmerin auch dann eingestellt hätte, wenn sie die Frage nach ihrer Schwerbehinderung bejaht hätte. Somit beruhe die Einstellung der Arbeitnehmerin nicht auf deren Lüge und berechtige den Arbeitgeber auch nicht zur Kündigung.
Darüber hinaus könne die Arbeitnehmerin jedoch keinen Anspruch auf Schadenersatz stellen. Es lägen keine Anzeichen dafür vor, dass sie von ihrem Arbeitgeber aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt worden sei.
Hinweis: Wegen der hier dargestellten Problematik sollten Arbeitgeber genau abwägen, was sie wen in Bewerbungsgesprächen fragen, und bei Zweifeln anwaltlichen Rat einholen. Auch für Bewerber kann es durchaus sinnvoll sein, sich im Vorfeld beraten zu lassen.
Quelle: BAG, Urt. v. 07.07.2011 - 2 AZR 396/10(aus: Ausgabe 11/2011)
[Vorheriger Text][Nächster Text]
[Inhalt]