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Gutachten ist keine Therapie: Kein Umgang für Großeltern bei Zerwürfnis mit der kindheitsbelasteten Mutter

Großeltern haben grundsätzlich ein Umgangsrecht mit ihren Enkeln - im Einzelfall aber nicht gegen den Willen der Eltern. Einen solchen familiären Problemfall musste im Folgenden das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) lösen.

Hier lebten die Großeltern zunächst mit ihrer Tochter und deren beiden Töchtern als friedliches Mehrgenerationenmodell auf einem Pferdegestüt. Die Großeltern betreuten und versorgten ihre Enkelinnen, während deren Mutter sich auf ihre berufliche Entwicklung als Tierärztin konzentrierte. Dann jedoch wurde die Idylle brüchig, im Gerichtsbeschluss ist sogar von "tiefgreifendem Zerwürfnis" die Rede. Mit dem Auszug der Großeltern unterbrach die Mutter auch deren persönlichen Kontakt zu den Mädchen. Nach ihrer Wahrnehmung und tiefen inneren Überzeugung hatten die Großeltern - vor allem die Großmutter - ihren Erziehungsvorrang missachtet und die Mutter-Töchter-Beziehung gefährdet. In diesem Zusammenhang warf die Kindesmutter ihrer eigenen Mutter auch Erziehungsfehler ihrer Kindheit vor, die sie nun bei den Enkelinnen wiederhole.

Zunächste stellte das Amtsgericht (AG) fest, dass sich die neun und sechs Jahre alten Kinder selbst ablehnend geäußert hätten; die Mutter sei nicht willens bzw. nicht in der Lage, die von den Großeltern erstrebte Kontaktgestaltung zu unterstützen. Das AG erlaubte den Großeltern lediglich Briefe und Geschenke, keinen persönlichen Kontakt. Das Jugendamt trug die Entscheidung mit und betonte, dass die ausgeprägt ablehnende Haltung der Mutter zu berücksichtigen sei, weil er einen für die Kinder schädlichen Loyalitätskonflikt auslöse.

Das OLG bestätigte die Entscheidung. Der Senat war sich bewusst, dass er mit seiner Entscheidung letztendlich der in ihrer Rigorosität unverständlichen Verweigerungshaltung der Mutter zu einem vorläufigen Erfolg verhilft. Jedoch ist § 1685 Bürgerliches Gesetzbuch eine ausschließlich am Kindeswohl orientierte Bestimmung, und es ist in Fällen irrational überhöhter Spannungen für das Kindeswohl besser, mit der Mutter unbeschwert leben zu können - auch wenn der Preis ein vorübergehender Verzicht auf Besuche bei den Großeltern ist.

Völlig bedeutungslos ist es, wie es zu den Konflikten gekommen ist und wer den Streit verschuldet hat. Es werde sich letztlich sowieso nicht aufklären lassen. Beide Seiten hatten ihre Wahrnehmungen mit einzelnen konkreten Darstellungen belegt, die für sich betrachtet plausibel und nicht zu widerlegen waren. Festzuhalten bleibe, dass das tiefe Zerwürfnis zwischen Mutter und Großeltern fortbestehe und jeder Teil die Gründe hierfür ausschließlich beim anderen suche. Die Mutter habe die Überzeugung gewonnen, sie müsse die Töchter vorerst vor weiteren persönlichen Kontakten zu den Großeltern schützen.

Den Vorschlag der Verfahrensbeiständin, ein lösungsorientiertes Gutachten in Auftrag zu geben, setzte das OLG nicht um. Es könne zwar einem lösungsorientiert arbeitenden Psychologen vielleicht gelingen, in einem "Begutachtungs"-Prozess die starre Haltung der Mutter aufzubrechen, die Beteiligten für einen Perspektivwechsel zu öffnen und damit Raum für eine Annäherung zu geben, die dann auch in der Erlaubnis für die Kinder münden könnte, sich unbeschwert auf persönliche Begegnungen mit den Großeltern einzulassen. Weil die Mutter aber eine Verbindung zu ihren eigenen Kindheitserlebnissen herstelle, sei dem eher therapeutischer Charakter beizumessen.

Hinweis: Abgesehen davon, dass eine solche Familientherapie nicht gerichtlich angeordnet werden könne, ist verfahrensrechtlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur zur Sachverhaltsaufklärung geboten. Es soll also aufzeigen, was für das betroffene Kind in der gegebenen Situation seinem Wohl entspricht, und nicht dazu dienen, in einem mutmaßlich längeren Beratungsprozess überhaupt erst die Voraussetzungen für eine verbesserte Ausgangslage zu schaffen, die dann möglicherweise zu anderen Empfehlungen oder einer einvernehmlichen Lösung führen könnte.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 21.07.2022 - 9 UF 30/22
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2022)

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