[Inhalt] Berührungsloser Unfall: Die Grundsätze des Anscheinsbeweises gelten auch nach missglücktem Wendemanöver Bei berührungslosen Unfällen ist die Schuldfrage nicht immer eindeutig zu bewerten. Im folgenden Fall war es am Landgericht Wuppertal (LG), über den sogenannten Anscheinsbeweis nach einer notwendigen Ausweichbewegung infolge eines missglückten Wendemanövers zu urteilen. Die Autofahrerin befuhr innerorts eine Straße, in der sich auch ihre Wohnung befindet. Um einfacher in die Garage einfahren zu können, beabsichtigte sie, ein kombiniertes Wende- und Abbiegemanöver von 270° über die gesamte Fahrbahn durchzuführen. Hierzu setzte sie an und wendete, als sich aus der Gegenrichtung der spätere Geschädigte näherte. Dieser wich nach rechts in eine Bushaltestelle aus, wobei sein Fahrzeug durch den dort befindlichen Bordstein beschädigt wurde. Nachdem die Haftpflichtversicherung der Unfallbeteiligten 50 % seines Schadens ersetzte, verlangte er den Restbetrag im Klageweg. Das LG hat der Klage stattgegeben. Es argumentiert, dass ein Beweis des ersten Anscheins für das alleinige Verschulden der Wendenden spricht, da sich bei dem Unfall die typischen Gefahren eines Wendevorgangs realisiert haben. Nach Auffassung des Gerichts kann der Fall so beurteilt werden, als wäre es zu einer direkten Kollision gekommen. Denn das Ausweichmanöver des Entgegenkommenden erfolgte im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Wendemanöver. Gelingt es einem Verkehrsteilnehmer, rechtzeitig auf die wahrgenommene Gefahrenlage zu reagieren und durch ein Ausweichmanöver eine Kollision zu verhindern, spricht wie im Fall einer Kollision die Lebenserfahrung dafür, dass Ursache für das Ausweichmanöver der andere, als Verkehrshindernis wahrgenommene Verkehrsteilnehmer gewesen ist. Hinweis: In der Rechtsprechung ist durchaus strittig, ob die Grundsätze des Anscheinsbeweises auch im Fall eines berührungslosen Unfalls Anwendung finden. Wie das LG haben auch die Kollegen in Saarbrücken in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 entschieden. Anderer Auffassung sind in Entscheidungen aus dem Jahr 2018 die Oberlandesgerichte München und Brandenburg gewesen. Quelle: LG Wuppertal, Urt. v. 14.05.2020 - 9 S 201/19
(aus: Ausgabe 08/2020)
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